Freitag, 12. April 2019

[SozialesLeid ⇔ #SozialesLied ] Hier und im schottischen Parlament: Trotz alledem!


Ferdinand Freiligrath erscheint uns heute als ein konservativer Literat und Lyriker, dessen Verszeilen uns auf den ersten Blick geschwulstig und komisch erscheinen, der aber umgekehrt Teil des Vormärz und der deutschen Revolutionen war und wegen seiner Veröffentlichungen immer wieder aus Deutschland emigrieren musste.

Ferdinand Freiligrath. Er gehörte im 19. Jahrhundert in den Kreis der populären und liberalen Freigeistern in einem feudal-restaurativ geprägten Deutschen Reich. Er kannte Karl Marx, Kerner, Hoffmann von Fallersleben und zählte viele andere bedeutende Denker der Zeit zu seinen Freunden.

Ferdinand Freiligrath (1810-1876), deutscher Lyriker und Übersetzer, der sich zunächst als Naturdichter, als "Löwendichter" einen Namen machte und deswegen sogar 1842 ein Ehrengehalt des preußischen Königs Friedrich Wilhelms IV. erhielt, auf welches er nach Kritik 1844 jedoch verzichtete. Er stand zunächst bewusst "über den Zinnen der Parteien" und somit etwa in Opposition zu seinem Kollegen Georg Herwegh, der sich als Dichter des aufkommenden Proletariats verstand. Politisiert wurde Freiligrath nicht zuletzt durch das Berufsverbot Hoffmanns von Fallersleben, mit dem ihn später eine jahrzehntelange tiefe Freundschaft verband.


Neue Rheinische Zeitung. 1845 schloss er Bekanntschaft mit Karl Marx und Franz Liszt, welche ihn in seinen demokratischen Bestrebungen bestärkten. Zeitweise – als Kaufmann auch aus beruflichen Gründen – immer wieder im Ausland, v.a. auch in England, war er 1848 Mitherausgeber der oppositionellen "Neuen Rheinischen Zeitung von Karl Marx und Friedrich Engels". Nach dem Scheitern der Revolution emigrierte er zeitweilig wieder nach London. Als Marx' "Neue Rheinische Zeitung" am 19. Mai 1849 ihr Erscheinen einstellen muss,. erscheint sie ein letztes Mal gänzlich in roter Schrift mit dem Gedicht Ferdinand Freiligraths (Mitglied des Bundes der Kommunisten) "Abschiedswort der Neuen Rheinischen Zeitung" an der Spitze.


Freiligraths Verhältnis zu Karl Marx und seiner Einschätzung des Kommunismus:
"Ich bin kein Communist, wenigstens nicht Communist von der enragirten Sorte, aber ich bin der Meinung, daß die neue Lehre, wenn sie auch nur einen Übergang vermitteln sollte, ein wesentlicher Fortschritt ist, uns daß sie, in der Humanität wurzelnd, mehr anregen, fördern und zuletzt zur Entscheidung bringen wird, als eine einseitig politische Anschauung. Ueber die Illusionen deutscher Constitutionen und Constitutiönchen sollten wir doch hinaus sein! Der Communismus wird eine Zukunft haben! Alle seine Träume werden nicht verwirklicht werden, aber wenn er auch, gleich dem Columbus, nicht in Indien landet, so wird er doch ein Amerika entdecken."

Trotz alledem. Freiligrath hatte sich nicht zuletzt auch als Übersetzer von Werken verschiedener französischer und englischer Dichter Renomée erworben, etwa von Gedichten und Liedern von Viktor Hugo und Alfred de Musset, aber auch des schottischen Nationaldichters Robert Burns "Trotz alledem" (1844) stellt eigentlich nur eine - wenn auch überaus gelungene – Eins-zu-Eins-Übersetzung des Liedes "A Man's A Man for A' That" von Robert Burns dar. Es wurde in der u.a. von Karl Marx herausgegebenen "Neuen Rheinischen Zeitung" abgedruckt und zu der aus dem 18. Jahrhundert stammenden schottischen Melodie "Lady Mackintosh's Reel" des schottischen Nationaldichters Robert Burns gesungen. Besonderer Anlass: "Trotz alledem" wird zur Wiedereröffnung des Schottischen Parlamentes intoniert.



Text: Ferdinand Freiligrath: Trotz alledem!
Das war ‘ne heiße Märzenzeit,
Trotz Regen, Schnee und alledem!
Nun aber, da es Blüten schneit,
Nun ist es kalt, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem -
Trotz Wien, Berlin und alledem -
Ein schnöder scharfer Winterwind
Durchfröstelt uns trotz alledem!

Das ist der Wind der Reaktion
Mit Meltau, Reif und alledem!
Das ist die Bourgeoisie am Thron -
Der annoch steht, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
Trotz Blutschuld, Trug und alledem -
Er steht noch und er hudelt uns
Wie früher fast, trotz alledem!

Die Waffen, die der Sieg uns gab,
Der Sieg des Rechts trotz alledem,
Die nimmt man sacht uns wieder ab,
Samt Kraut und Lot und alledem!
Trotz alledem und alledem,
Trotz Parlament und alledem -
Wir werden unsre Büchsen los,
Soldatenwild trotz alledem!

Doch sind wir frisch und wohlgemut,
Und zagen nicht trotz alledem!
In tiefer Brust des Zornes Glut,
Die hält uns warm trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
Es gilt uns gleich trotz alledem!
Wir schütteln uns: Ein garst'ger Wind,
Doch weiter nichts trotz alledem!

Denn ob der Reichstag sich blamiert
Professorhaft, trotz alledem!
Und ob der Teufel reagiert
Mit Huf und Horn und alledem -
Trotz alledem und alledem,
Trotz Dummheit, List und alledem,
Wir wissen doch: die Menschlichkeit
Behält den Sieg trotz alledem!

So füllt denn nur der Mörser Schlund
Mit Eisen, Blei und alledem:
Wir halten aus auf unserm Grund,
Wir wanken nicht trotz alledem!
Trotz alledem und alledem!
Und macht ihr's gar, trotz alledem,
Wie zu Neapel jener Schuft:
Das hilft erst recht, trotz alledem!

Nur, was zerfällt, vertretet ihr!
Seid Kasten nur, trotz alledem!
Wir sind das Volk, die Menschheit wir,
Sind ewig drum, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem:
So kommt denn an, trotz alledem!
Ihr hemmt uns, doch ihr zwingt uns nicht -
Unser die Welt trotz alledem!

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