Montag, 27. April 2020

[SozialesLeid⇔SozialesLied] Arbeitermarseillaise: Geschichte, Texte, Noten, Hntergründe


Die Marseillaise entstand ursprünglich als politisches Lied gegen die österreichische Intervention in Frankreich und war so populär, dass man sie am sechsten Jahrestag des Sturmes auf die Bastille, am 14. Juli 1795 zur Nationalhymne erhob. Ein Symbol für die bürgerlichen Freiheiten ist die Hymne bis heute.

Symbole. Die Welt des Politischen hat immer auch eine äußere, symbolische Seite. Das zeigte sich während der Französischen Revolution in groß angelegten Inszenierungen hochoffizieller Zeremonien bis in die alltäglicheren symbolischen Ausdrucksformen wie Kleidung, Zeitrechnung, Sprache ebenso wie in den Bilderwelten der Graphik und Malerei. Hatten einzelne Symbole, die in der revolutionären Praxis "erfunden" wurden, an Popularität und Bekanntheitsgrad gewonnen, wurden sie von offizieller Seite aufgenommen und teilweise zur gesetzlichen Pflicht gemacht, wie etwa das Tragen der Kokarde. Während die meisten Revolutionslieder die Zeit der Revolution im kollektiven Gedächtnis nicht überdauerten, schaffte es die Marseillaise zu einem der tragenden Symbole der französischen Nation zu werden.


Volkslied & Hymne. Es ist selten, dass politische Kunst sich so schnell durchsetzt und dazu auch alle Stürme überdauert. Als die Frage der Kriegserklärung an die Habsburgermonarchie im Frühjahr 1792 immer drängender wurde, sprachen sich die girondistischen Zeitungen "Chronique de Paris" und "Courrier" für die Förderung von Kriegsliedern, die den Enthusiasmus der Truppen stärken sollten, aus. Der "Courrier" veranstaltete einen Wettbewerb für das beste Lied, dem sich sogar die den Radikalen nahe stehende Zeitung "Révolutions de Paris" anschloss. Vor allem die Girondisten drängten auf einen raschen Kriegsbeginn. Aber bei Kriegsbeginn (20. April 1792) war noch immer keine geeignete Kampfeshymne gefunden worden. Ihr Schöpfer, der Offizier Claude-Jospeh Rouget de Lisle, soll das Lied in der Nacht vom 25. auf den 26. April 1792 während seiner Einquartierung im Hause des Straßburger Bürgermeisters Dietrich auf dessen Anregung hin komponiert und getextet haben. Rouget de Lisle als gemäßigter Anhänger der Monarchie hatte das Lied für die Soldaten des Königs geschrieben.

Auch Stefan Zweig schildert in seinen "Sternstunden der Menschheit", wie in der Nacht auf den 25. April 1792 der Pionier-Hauptmann Claude-Joseph Rouget de Lisle auf Anordnung des Straßburger Bürgermeisters ein Kriegslied für die Rheinarmee textet und komponiert. Die Errungenschaften der Französischen Revolution sind gegen die absolutistischen Feinde Preußen und Österreich zu verteidigen. Rouget fristete in der Folge ein erfolgloses Leben als Notenkopist. Der Versuch einer Hymne für Napoleon "Chant des Combats" misslang. Das Stück fiel bei seiner Aufführung in der Pariser Oper am 3. Jänner 1800 durch. Claude-Joseph wurde 1760 im Jura geboren. Um ihm den Besuch der Militärschule zu ermöglichen, nahm seine Familie das Adelsprädikat "de Lisle" an. Schon früh begann er Verse zu schreiben, darunter auch einen Hymnentext "Gott bewahre den König", der sehr an das seit 1745 bekannte "God save the King" erinnert, das ja auch der österreichischen Kaiserhymne als Vorbild gedient hatte. Claude-Joseph Rouget de Lisle starb im Jahre 1836 in Choisy-le-Roi.

Kriegsgesang. Das Lied hatte ursprünglich den Titel "Kriegslied der Rheinarmee" (Chant de guerre pour l'armée du Rhin) und wurde rasch im ganzen Land bekannt. Innerhalb weniger Wochen wurde die "Hymne des Marsaillais" im Elsaß in handschriftlicher oder gedruckter Form verbreitet und danach von zahlreichen Pariser Verlegern aufgegriffen. Da die ersten Auflagen anonym erschienen, wurde zunächst bezweifelt, dass Rouget de Lisle, ansonsten angeblich nur ein mittelmäßiger Dichter, dieses Lied verfasst hatte. Es hat dem politisch gemäßigten Künstler während der Revolutionswirren, der Zeit der Terreur wohl auch wegen der Bekanntheit und Beliebtheit seiner Komposition Leben und Freiheit gerettet.

Der Text, in dem die "Enfants de la patrie" (Kinder des Vaterlandes) den gesichtslosen, blutrünstigen Soldaten der Tyrannei gegenübergestellt werden, ist düsterer als jener des Ça ira, der den anfänglichen Optimismus der Revolutionäre ausdrückt. Ça ira (franz. wörtlich: es wird gehen, im übertragenen Sinn: Wir werden es schaffen) bezeichnet den Beginn eines Kampfliedes aus der Zeit der Französischen Revolution, das während des Föderationsfestes vom 14. Juli 1790 entstand. Es rief zum Kampf gegen Aristokratie, Klerus und Adel auf.

In der Marseillaise werden die Feinde als Sklaven verschwörerischer Despoten bezeichnet. Bezeichnend sind auch die häufig vorkommenden Blut und Boden-Metaphern. So das Ende der ersten Strophe - Qu'un sang impur abreuve nos sillions (dass unreines Blut unsere "Ackerfurchen" tränke) oder in der 4. Strophe - S'ils tombent nos jeunes héros, La terre en produit de nouveaux (Wenn unsere jungen Helden fallen, wird die Erde neue erschaffen). Die Nation wird hier mit der zu verteidigenden Heimaterde gleichgesetzt. Der Begriff der Freiheit wird in der letzten Strophe hervorgehoben und als Kampfgefährtin besungen - Liberté, liberté chérie, combats avec tes défenseurs (Freiheit, geliebte Freiheit, kämpfe mit deinen Verteidigern). Der Chant de guerre suggestiert eine von den Häschern der Tyrannei bedrohte Heimat, die unter großen Kraftanstrengungen, schlussendlich mit Hilfe der Freiheit siegreich verteidigt werden wird.

Ein Armeegeneral des Ägyptenfeldzugs, François Mireur, der nach Marseille gekommen war, um den gemeinsamen Marsch der Freiwilligen von Montpellier und Marseille zu organisieren, veröffentlichte es unter dem Titel Kriegslied der Grenzarmeen. Die Truppen von Marseille übernahmen es dann als Marschlied. Diese föderierten Truppen aus Marseille - die sich später am Sturm auf die Tuilerien beteiligten - übernahmen das Lied als Marschlied und stimmten es bei ihrem Einmarsch in Paris am 30. Juli 1792 an. Die Pariser benannten es daraufhin nach dem Herkunftsort der Soldaten.

Die Marseillaise war so populär, dass man sie am sechsten Jahrestag des Sturmes auf die Bastille, am 14. Juli 1795 zur Nationalhymne erhob. Auf den Tag genau 120 Jahre später, - der erste Weltkrieg tobte und da eignete sich das Datum - am 14. Juli 1915, wurde die Urne von Rouget de Lisle in den Invalidendom überführt. Unter Napoleon war allerdings wieder Schluss mit der Marseillaise. Erst in der Julirevolution 1830 wurde sie wieder in den Straßen von Paris gesungen. Dabei entdeckte man, dass der Komponist Rouget de Lisle verarmt und von einem Schlaganfall gelähmt bei einem alten Regimentskameraden wohnte. Bürgerkönig Louis Philippe war klug genug, ihm das Kreuz der Ehrenlegion zu verleihen und eine kleine Pension auszusetzen – die Marseillaise als Nationalhymne mochte er aber auch nicht. Er gab ein neues Lied in Auftrag, die so genannte "Parisienne", die jedoch so langweilig war, dass kein Mensch sie singen wollte.

In der Revolution von 1848 und beim Aufstand der Pariser Kommune 1871 erlebte die Marseillaise jeweils eine Auferstehung, wurde aber nach kurzer Zeit wieder verboten, weil ihr noch immer der Geruch der Revolution anhaftete. Anlässlich der Eröffnung der Pariser Weltausstellung im Jahr 1878 gab der Präsident MacMahon bei Charles Gounod eine Hymne mit dem Titel "Vive la France" in Auftrag, die denn auch bei allen feierlichen Gelegenheiten gespielt wurde. Doch der Wille des Volkes war stärker: Jedes Mal, wenn Gounods Lied zu Ende war, stimmten die Zuhörer lautstark die Marseillaise an. Nach heftigen Diskussionen in der Französischen Nationalversammlung wurde sie dann im Jahr 1879 zur offiziellen Landeshymne erklärt.

Es gab in der ursprünglichen Anwendung keine einheitliche Fassung der Marseillaise, die bereits zu Beginn in verschiedenen Formen mit oder ohne Gesang vertont wurde. 1879 wurde die Marseillaise zur Nationalhymne erklärt, ohne dass man sich für eine bestimmte Fassung entschieden hatte. Wenn sie gleichzeitig von verschiedenen Musikverbänden gespielt wurde, herrschte deshalb oftmals eine große musikalische Unordnung. Eine 1887 eingesetzte Kommission von Berufsmusikern legte eine offizielle Fassung fest, nachdem sie den Text und die Melodie umgeändert hatte.

Unter der ersten Republik gehörte die Marseillaise zu den Volksweisen und -liedern, die zum Erfolg der Revolution beigetragen haben. Die Marseillaise, die in der Zeit des Empire und der Restauration verboten war, kam während der Revolution von 1830 zu neuen Ehren. Hector Berlioz komponierte eine Orchesterfassung, die er Rouget de Lisle widmete. Die III. Republik (1879) machte die Marseille zur Nationalhymne; und 1887 nahm das Kriegsministerium nach Anhörung einer Kommission eine "offizielle Fassung" an. Im September 1944 wurde durch einen Runderlass des Erziehungsministeriums angeordnet, dass die Marseillaise in sämtlichen Schulen gesungen werde, "um unsere Befreiung zu feiern und unserer Märtyrer zu gedenken". In den Verfassungen von 1946 und 1958 (Artikel 2) wurde die Marseillaise als Nationalhymne beibehalten. Staatspräsident Valéry Giscard d'Estaing wollte, dass man die Ausführung der Marseillaise wieder verstärkt der ursprünglichen Fassung anpasste und ließ deshalb deren Rhythmus verlangsamen. Ab 1981 jedoch wird die Hymne wieder nach den vor 1974 gespielten Partituren und Rhythmen interpretiert.

Anwendungen.
Die mit der Republik und Revolution verbundene Symbolik der Marsailles wurde auch von anderen politischen Gruppen genutzt. So gibt es eine "Deutsche Arbeiter-Marsailles" im Jahre 1864 von Jakob Audorf für den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV, die zur Melodie der Marseillaise geschrieben und am Begräbnistag von Ferdinand Lassalle noch im Refrain umgeschrieben wurde ("Der kühnen Bahn nun folgen wir, die uns geführt Lassalle!") oder die Fassung von Ferdinand von Freiligrath aus dem Jahre 1848, die auch im amerikanischen Bürgerkrieg von den deutsch-amerikanischen Soldaten von August Willich's Brigade beispielsweise nach der Shiloh Schlacht (1861) gesungen wurde.

Trotz des Scheiterns der Revolution von 1848 hatte die Arbeiterbewegung in den folgenden Jahrzehnten steten Zulauf. Ein wichtiges Mittel um auf sich aufmerksam zu machen war dabei das Arbeiterlied, denn bei allen öffentlichen Gelegenheiten ­ ob Demonstrationen und Protestmärsche, Feiern oder Begräbnisse von bedeutenden Arbeiterführern ­ wurde publikumswirksam gesungen, zum Beispiel die "Arbeitermarseillaise". Das Singen von Arbeiterliedern war Teil einer "alternative culture" von links: in Opposition zur bürgerlichen Kultur schuf sich die Arbeiterbewegung eigene Traditionen und Rituale. Die in der sozialdemokratischen Partei organisierten Arbeiter beteiligten sich auch nicht am   "Hurra­Patriotismus", der mit der kriegerischen Reichsgründung in den Jahren 1870/1871 Einzug hielt. Anstelle patriotischer "Sedan­Feiern" (in Bezug auf die Eroberung der strategisch wichtigen französischen Festung Sedan) richteten die Arbeiter "Märzfeiern" aus, die sich gleichzeitig auf den Beginn der Revolution im März 1848 in Berlin bezogen und auf den Beginn des Pariser Kommune­Aufstandes im März 1871.

Ferdinand Freiligrath erscheint uns heute  als ein konservativer Literat und Lyriker, dessen Verszeilen uns auf den ersten Blick geschwulstig und komisch erscheinen, der aber umgekehrt Teil des Vormärz und der deutschen Revolutionen war und wegen seiner Veröffentlichungen immer wieder aus Deutschland emigrieren musste.

Arbeiter-Marseillaise 

Frisch auf zur Weise von Marseille, frisch auf ein Lied mit hellem Ton!
Singt es hinaus als die Reveille der neuen Revolution!
Der neuen Revolution!
Der neuen, die mit Schwert und Lanze die letzte Fessel bald zerbricht
Der alten, halben singt es nicht!
Uns gilt die neue nur, die ganze!
Die neue Rebellion! Die ganze Rebellion!
Marsch! Marsch! Marsch! Marsch!
Marsch - waer's zum Tod! Und unsre Fahn' ist rot!

Der Sommer reift des Frühlings Saaten, drum folgt der Juni auf den März.
O Juni, komm und bring uns Taten! Nach frischen Taten lechzt das Herz!
Lass' deine Wolken schwarz sich ballen,
Bring uns Gewitter, Schlag auf Schlag!
Lass' in die ungesühnte Schmach
Der Rache Donnerkeile fallen!
Die neue Rebellion! Die ganze Rebellion!
Marsch! Marsch! Marsch! Marsch!
Marsch - waer's zum Tod! Und unsre Fahn' ist rot!



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1 Kommentar:

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